Es ist Sonntag und der Sonntag ist ein wichtiger Teil des bürgerlichen Selbstverständnisses, wird in der Familie zugebracht, mit Dingen, für die in der Woche keine Zeit bleibt und manchmal sogar noch für fromme Reste mit einem Gottesdienst begonnen, wenn ihnen nicht wie immer mehr das Sontagsfrühstück viel wichtiger ist, womit heute schon ein wichtiger Teil des Sonntags zuhause oder im Café besetzt ist in denen es je nach Gusto zu essen bis zum Abend gibt, der ja nun wieder eine Stunde früher dunkelnd naht und an dem sich auf die Arbeitswoche vorbereitet wird.
Bürgerliche Existenz zwischen Arbeit und Freizeit oder eher zwischen Berufung und Pflicht oder ist die Pflichterfüllung eine typisch bürgerliche Berufung?
Der Sonntag als Tag der Ruhe soll der Erholung der Arbeitskraft dienen, wobei der Bürger kein Arbeiter ist und selten einer der Hand, häufiger einer des Kopfes, wobei die Grenzen da sichtbar fließen, wenn wir uns die bürgerliche Ordnung in den Ständen des Mittelalters anschauen. Wie ist es etwa mit Albrecht Dürer dem deutschen Genie von sowohl bürgerlicher als auch handwerklicher Überzeugung, der sich als Handwerker auch sah und der zugleich als Genie über allem stand, auch wenn er Teil der Nürnberger ständischen Gesellschaft war. Steht er als Maler der Kaiser aber auch der Bürger über allem, gehörte nirgendwo hin, oder war er ein typischer Bürger als einer, der über die Stände hinausschaut?
Dürer oder Thomas Mann für den Gedanken der Bürgerlichkeit in Anspruch zu nehmen, die weit über ihm standen, immer wieder auch Ärger bekamen mit den Bürgern, für ihren strengen Blick auf sie. Die Buddenbrooks, die ihm wohl entscheidend auch den Literaturnobelpreis einbrachten, waren auch eine Karikatur des bestehenden Lübeck und seiner bürgerlich engen Gesellschaft und viele fühlten sich, wohl nicht zu Unrecht, durch die scharfe Feder des Kaufmannssohnes aus bester Familie vorgeführt. Nicht ohne ihn später zu rühmen und zu preisen, ihm ein Museum zu errichten und anderes mehr, wie es die Nürnberger mit ihrem Dürer taten, der nicht Goldschmied geworden war, wie sein Vater sondern nur Künstler, auch wenn er mit das größte Genie seiner Zeit war und wurde, im bürgerlichen Kanon steht der Künstler erstmal ganz unten, bis er Kanon wird, was den wenigsten, wie Thomas Mann etwa und auch Dürer durch herausragendes Genie zu Lebzeiten gelang.
Der Bürger liebt seinen Kanon, wenn er weiß, was er gelesen haben muss oder sollte, warum die bürgerlichen Leseausgaben von Reich-Ranicki und die vielen der Zeitungen, die folgten, ein solcher Erfolg wurden. Ein Kanon mag sich öffnen für gewisse Zeitgenossen, aber blickt doch immer gern in die Geschichte, so lasse auch ich mir, während ich darüber nachdenke und schreibe, was bürgerliche Existenz ausmacht von Bach die immer wieder gern gehörten Cello Sonaten aus der Dose um die Ohren streichen, wie liebe alte Freunde tanzen die tiefen Töne sonntäglich um mich. Hätte ich nicht die Nacht durchgetanzt, wäre ich womöglich noch Dürer und die Bilderfreunde besuchen gegangen und der Sonntag wäre auch in dieser Hinsicht ein vollkommen bürgerlicher gewesen, an dem wer sich unter der Woche ernsten Geschäften hingibt, sich sonntäglich gern den Musen eben je nach eigenem Niveau hingibt, was vermutlich besser zur Auswahl bürgerlicher Existenz passt als die beliebigen Angaben dazu in den Profilen der Onlinedatinagenturen, durch die wir alle auf der Suche nach dem oder der Richtigen pflügen voll sehnsüchtiger Hoffnung.
Da schreiben sie nur von Kunstinteresse oder dem Besuch von Museen und Theatern, während sie in Wirklichkeit an Musicals oder das KaDeWe mehr denken als an Kunst oder Helene Fischer für das größte Sangestalent halten und machen nur atemlos damit, was alles Kunst sein soll. Aber da wir ja von dem auch im bürgerlichen Kunstkanon angekommenen Beuys längst wissen, ertragen die sonntäglichen Bildungbürger auch solche seltsamen Anbandlungen gelassen, wer weiß, wozu es einmal gut ist, Während Netzwerke und Kontakte zählen, kommt es weniger auf Verbindlichkeit als auf Verbindungen an. Aber schon rutschen wir von der friedlichen Betrachtung des bürgerlichen Lebens hinein in die Welt der Geschäfte und wollten uns doch eigentlich dem Sonntag widmen, an dem genossen wird und während ich darüber nachdenke, wie wenig oder gut dies nun den bürgerlichen Sonntag beschreibt, wird mir klar, wie sehr ich meinen schon wieder schreibend verbringe, statt sonntäglich und wäre dies nicht ein Genuss an sich, fragte sich, ob wir nicht besseres zu tun haben, wie etwa lesend, den Bildungshorizont zu erweitern.
Nur wann, wenn nicht Sonntags, soll ich den bürgerlichen Sonntag beschreiben, wo ist dieses Lebensgefühl zwischen herrlicher Ruhe und endloser Langweile besser zu greifen, als am Sonntag selbst, der manchen heilig, anderen nur weniger eilig ist?
So, hin und hergerissen, zwischen dem Sonntagssspiel der Bundesliga, bei dem sich der voraussichtliche Meister und Sieger FCB zu Gladbach wieder mit drückender Überlgegenheit zeigt, dem Kulturprogramm des Abends mit Musik und der Pflicht zu beschreiben, was ist, frage ich mich, ob es wichtiger ist, dass, was nicht ist, zu beschreiben, oder sich am möglichen bürgerlichen Programm dahinter aufzuhalten. Eine Freundin postete gerade ein Bild von ihrer Tochter beim Plätzchenbacken, einer sehr beliebten Sonntagsbeschäftigung auch schon Wochen vor der Adventszeit, wenn es jetzt dunkler wird und wenn die Supermärkte ab 1. September Spekulatius und Dominosteine wieder führen, warum sollen wir dann nicht auch schon zeitig an die heimische Produktion gehen?
Planvolles Vorgehen ist jedenfalls wohl bürgerlich und weise, eher von Erfolg gekrönt meist als die spontanen Eingebungen mancher Künstler, auch der Ballkünstler, wenn ich auch, ohne es gerade zu betrachten, wetten würde, die Münchner haben begriffen, was Fußball heute heißt und warum einzig viele Ballkontakte den Sieg langfristig sichern. Aber bevor wir uns zu sehr in dieses auch plebejische Spiel vertiefen, noch einige Gedanken zum Verhältnis von Planung und Eingebung in der Dialektik von Bürgern und Künstlern.
Die meisten Bürger verhalten sich heute relativ tolerant, sicher es gibt die Affen aus dem Umkreis des AfD und unter diesen selbst, aber noch sind diese weit von einer Mehrheit, auch wenn sie in Netzwerken so lautstark und platt ihre Mäuler aufreißen, als wäre dem so. Die Menge ist relativ tolerant, solange sie nicht gestört wird, in ihren Gewohnheiten und sich langsam an ungewohntes gewöhnen kann. So war es, passend zum Sonntag, mit den ersten Moscheen im Land, da gibt es die ewig gestrigen, immer intoleranten, die das Abendland vor dem Untergang im Namen der Christenheit retten wollen und die laut sind, die aber eine Minderheit bleiben, denn die Mehrheit ist klar dafür, dass doch jeder nach seiner Fasson selig werden soll, wie es einst der Alte Fritz den Preußen und Märkern ins Stammbuch schrieb, solange er dabei ein guter Preuße oder doch zumindest Bürger bleibt.
Während die Bürger wöchentlich ihre Pflicht erfüllen wird sich Sonntags der Lust am liebsten gut geplant und wohlorganisiert hingegeben, indem wir einen Ausflug machen oder irgendwo hin gehen, wo wir unserem Niveau wie unserem Geldbeutel entsprechend unterhalten werden. Sonntagsvergnügen werden auch gern erzählt, um sich damit hervorzutun und einander zu übertreffen, somit sind sie auch zu einem Statussymbol in der sozialen Konkurrenz geworden.
Habe Freunde, die an Sonntagen die Stille und Einsamkeit fürchteten, da sie nicht wie andere Kinder bespaßt wurden oder auf Ausflüge, gar ins Museum durften, weil die Eltern getrennt waren, keine Ausflüge gemacht wurden oder sie einfach unter anderen Umständen aufwuchsen, in denen ihnen die Sonntagsruhe ein Graus war. Bei mir wurde viel gemacht, manches musste mitgemacht werden, vieles war schön, aber die Angst vor dem Nichts am Sonntag, wenn keiner da ist, oder keiner Zeit hat, kannte ich nicht, im Gegenteil, oft wünschte ich mir auch in dieser oder jener Kirche, zur Besichtigung, nicht etwa zum Gottesdienst, oder im Museum, mehr Zeit für mich, zum spielen zu haben.
Die Sympathie für die Ruhe am Sonntag ist also je nach Neigung, Geltungsbedürfnis und Umständen auch schon des Aufwachsens, unterschiedlich augeprägt. Liebe die Ruhe, muss nichts anderes unternehmen und freue mich daran, Zeit zum Lesen zu haben, unternehme nur, wenn es alternativlos ist, freiwillig etwas und genieße es Zeit für mich zu haben.
So ist die Betrachtung des Sonntag als Tag der Lust oder der Frustration wohl untentschieden, wie die Bayern heute in Gladbach spielten übrigens, was nichts an der Tabelle ändert, vielleicht die Frage stellte, inwieweit die Wochenendarbeiter noch mit Lust oder eher Frust bei solcher Sache waren. Ob die vorherige Liga Europas zuviel Kraft kostete.
Das Nichts genießen können, um aus dem Vielen schöpfen zu können genüßlich, spricht für relativen inneren Reichtum, der mit äußerem erst mal nichts zu tun hat. Vielleicht sind diejenigen, um die sich mehr gekümmert wurde, weniger bedürftig nach Unterhaltung, während die sich eher vernachlässigt fühlten, das gegenteilige Bedürfnis haben könnten, womit die soziale Frage in schlichter Dialektik augelöst würde.
Dagegen spricht aber nach meiner Erfahrung, dass es weniger um die tatsächlichen Erlebnisse geht, als unsere Haltung zu diesen und den Erlebnissen. Habe als Kind schon stundenlang vor meinem Spielzeug gesessen, etwas aufgebaut und dann nur noch alle halbe Stunde mal eine Playmobilfigur ein wenig bewegt, ansonsten aber im Kopf gespielt, wie ich meinen erstaunten Eltern erzählte, was ich liebte und wofür ich gar nicht genug Zeit haben konnte.
Als wöchentlich wechselnder Vater mit also nur noch zweiwöchig dichter Familie, habe ich seit einiger Zeit sehr viel Zeit für mich, die ich schätze und von Anfang an auch mochte, abgesehen von den Umständen die dazu führten, aber wenn Trennungen angenehm wären, würden sich Männer und Frauen vermutlich gar nicht mehr, außer zu Paarungszwecken vereinen meist. Gehöre nun zun denen, die viel Zeit haben und sie sich auch nehmen, während ich die ersten Jahre danach, wie im Reflex jeden freien Abend im Café oder an der Bar verbrachte, wenn auch schreibend, ziehe ich es inzwischen wieder vor, auch häufiger Zuhause zu bleiben, ein Stubenhocker zu sein, umgeben von Büchern bei einem guten Tee und frage mich häufiger, was Menschen mehr brauchen könnten, um sich ein Leben auskömmlich zu beschäftigen und ginge es nicht auch um das wie des Überlebens, hätte ich wohl genug Geschichten in mir und um mich, den Rest meines Lebens glücklich zu zu verbringen.
Dennoch verfliegt an Sonntagen mir die Zeit im Schreiben wie nichts. Denke ich darüber nach, sie mit Programm zu füllen, wie es sonntäglich bürgerlich angemessen wäre wohl, bemerke ich an mir, wie ich schon abzuwägen beginne, ob dieses oder jenes die verlorene Zeit wert ist, was der Gewinn wäre, sich keine Zeit für sich zu nehmen und die Dinge, die ruhige Zeit am Werk oder zum Lesen noch überwiegen, werden mit jedem Jahr weniger, als führte wachsende Reife zu einer zunehmenden Konzentration der Wesen auf sich. Dennoch kenne ich viele Menschen, die es lieben ihre Sonntage mit Freizeitaktivitäten zu füllen, um sich zu beschäftigen, von unsäglichen Freizeitparks bis zu geistig nur geringfügig unterschiedlichem Sport zu Waldspaziergängen und Museumsbesuchem, die mich auch immer wieder verführen können, wie die Besuche im Café.
Vielleicht schätze ich auch die Sonntage für mich so, um nicht die glücklichen Paare in den Cafés mit Kinderwagen sich ankeifen zu hören, noch Illusionen und Träume vom idealen Sonntag zu behalten, den ich aber doch gerade so für sich liebe, auch wenn mir die konventionelle bürgerliche Liebe als Ideal noch im Hinterkopf herumtigert. Weil wir erst etwas sind, wenn wir es zu etwas gebracht haben, unsere Schäfchen im Trockenen weilen, der Sonntag mit der Familie verbracht wird, um den Nachbarn im Aufwand der Freizeitvergnügen eindrucksvoll noch zu überbieten.
Der Freizeitstreß setzt die Gewohnheiten des Alltags auf einer anderen Stufe fort und dächte ich darüber nach, würde ich mich wohl relativ ärmlich und heimatlos fühlen im konventionellen Sinne, ohne Auto, das ich putzen könnte, ohne Garten oder Balkon, auf dem ich wirken müsste je nach Jahreszeit und mit weitgehend reduzierten Verpflichtungen, die möglichst alle Zeit frei lassen, um den Gedanken Raum zu geben, eine Richtung zu finden. Eine Richtung jenseits der Konventionen vielleicht oder mit ihnen dahin, wo ich mich wohlfühle. Nun sollte ich vermutlich, wäre ich ein Guru, sagen, seitdem ich dies oder das erkannt habe, bin ich glücklich und dies sei also der Weg dahin. Nichts als nachdenken und den Ideen und Gedanken Raum zu geben, damit sie ihren Weg dazwischen finden, klingt für mich erstmal paradiesisch, ob es die Kompensation der real existierenden Einsamkeit ist oder der Mangel an Alternativen, ist damit noch nicht geklärt, fraglich nur, ob es wichtig ist, dies zu wissen, um glücklich zu sein, wenn ich mit dem, was ich habe, der glücklichste Mensch bin, oder mich zumindest dafür halte, da ich das Leben lebe, was mir entspricht, ob es so unkonventionell noch bürgerlich ist, wäre die letzte Frage, wenn sie mich interessierte, wäre meine Identifikation mit der Bürgerlichkeit irgendwie höchst konventionell, wenn ich aber das Glück vor die Konvention am Ende stelle, es mir egal wäre, ob es nun konventionell ist oder nicht, könnte die Chance glücklich zu bleiben, am größten sein, egal, was ich am Sonntag lieber tue.
jt 26.10.14